Leo Trotzki (Lew Dawidowitsch Bronstein; 1879–1940) war einer der bekanntesten und umstrittensten revolutionären Persönlichkeiten des 20. Jahrhunderts. Der überzeugte Internationalist war zudem einer der produktivsten politischen Schriftsteller der sozialistischen und kommunistischen Bewegung. Er wurde nicht nur als Revolutionär und als Gegner Stalins, sondern auch als Jude angefeindet.
Selten wurden bisher Trotzkis persönliche Erfahrungen in Beziehung zu seinen Analysen des Antisemitismus gesetzt. Diese Bezüge stehen im Zentrum des Bandes und sind zum Verständnis der abgedruckten Dokumente unerlässlich, die Trotzki zwischen 1909 und 1940, dem Jahr seiner Ermordung, verfasste und die zum größeren Teil bisher nicht auf Deutsch vorliegen.
Die umfangreiche Einleitung von Mario Keßler stellt Trotzkis Texte zum Antisemitismus in den Kontext seiner weltrevolutionären Erwartung wie seiner Desillusionierung im Zeitalter von Antisemitismus, Faschismus und Stalinismus. Keßlers besondere Aufmerksamkeit gilt den Warnungen vor Hitlers Antisemitismus. 1938 sah Trotzki die völlige Ausrottung der Juden unter Hitler voraus.
Zum Herausgeber
Mario Keßler, Prof. Dr., geb. 1955 in Jena, arbeitete bis 2021 am Leibniz-Zentrum für Zeithistorische Forschung und unterrichtete an der Universität Potsdam. Daneben hatte er zahlreiche Gastprofessuren, darunter oftmals an der Yeshiva University in New York, inne. Seine Arbeitsgebiete sind moderner Antisemitismus, internationale Arbeiterbewegung und Historiografie-Geschichte. Er schrieb bisher 28 Bücher in deutscher und englischer Sprache. Hinzu kommt eine umfangreiche Tätigkeit als Herausgeber.
Presse (Auswahl)
»Keßler konstatiert am Ende seines Aufsatzes, Trotzkis Schriften zu Faschismus und Antisemitismus besäßen auch heute noch Relevanz. Warum dies so ist, stellt er in einem zwar äußerst dicht, aber dennoch gut lesbaren Text dar; vor allem aber kann sich jede*r mit der Lektüre der versammelten Originaltexte selbst davon überzeugen.« Nelli Tügel in ak – analyse & kritik, Nr. 684 vom 16. August 2022
»Die von Mario Keßler sachkundig zusammengetragene Textsammlung hilft, die historischen Hintergründe und insbesondere die Last der Niederlagen in der Geschichte für die heutige Situation besser zu verstehen.« Reiner Tosstorff in SoZ – Sozialistische Zeitung vom 1.9.2022.
Inhalt
Mario Keßler
Leo Trotzki und der Antisemitismus
- Der »nichtjüdische Jude« als Internationalist
- Permanente Revolution und innerparteiliche Demokratie
- Nationalismus und Antisemitismus vor dem Ersten Weltkrieg
- Revolution, Bürgerkrieg und frühe Sowjetgesellschaft
- »Porträt des Nationalsozialismus«: Faschismus und Antisemitismus
- Eine jüdische Heimstätte in Palästina?
- Stalinismus und Antisemitismus
- Der Menschheit auf den Grund geschaut: Trotzkis Voraussage des Holocaust
Texte von Leo Trotzki
- 1 Die russische Revolution 1905: Die Zarenmeute am Werk (1909)
- 2 Rumänien nach dem Krieg: Die Judenfrage (1913) [Auszüge]
- 3 Die Beilis-Affäre (28. November 1913)
- 4 Die Pogromhetze (31. Oktober 1917)
- 5 Brief an N. I. Bucharin (4. März 1926)
- 6 Ein Grußwort an die Zeitschrift Unser Kamf (9. Mai 1932)
- 7 Porträt des Nationalsozialismus (10. Juni 1933)
- 8 Die jüdische Frage ist nun eine internationale Frage (28. Januar 1934)
- 9 Über das »jüdische Problem« (Februar 1934)
- 10 Interview mit jüdischen Journalisten in Mexiko (18. Januar 1937)
- 11 Thermidor und Antisemitismus (22. Februar 1937)
- 12 Die Gefahr der Ausrottung des jüdischen Volkes (22. Dezember 1938)
- 13 Für Herschel Grynszpan! (30. Januar 1939)
- 14 Eine Falle in Palästina (14. Februar 1939)
- 15 Imperialismus und Antisemitismus (Mai 1940)
Anhang
- Biografische Daten
- Personenregister
- Abkürzungsverzeichnis
- Quellen und Literatur
- Zum Herausgeber